Im November werde ich oft gefragt, ob in der dunklen Jahreszeit viele bei der Telefonseelsorge anrufen, die sich das Leben nehmen wollen. „Ja“, antworte ich dann, „auch in den dunklen Monaten rufen Menschen an, um sich das Leben nehmen – wie das ganze Jahr über“. Alle Anrufenden haben die Hoffnung, dass jemand zuhört und Anteil nimmt. Sie wünschen im Gespräch etwas zu finden, das das Leben leichter macht.
„Sich das Leben nehmen“ ist ein wunderschöner Ausdruck, denn er bedeutet auch sich das vom Leben zu nehmen, was leben, aufleben und leichter leben lässt. Wir nehmen uns alle jeden Tag das Leben – indem wir leben. Wir nehmen jeden Tag Aufgaben und Verantwortungen, wir nehmen vielleicht auch eine Tasse Kaffee oder ein Gespräch oder Zeit für einen Blick aus dem Fenster. In hellen und dunklen Tagen ist dabei eine wichtige Frage: Was nehme ich mir vom Leben, was mir gut tut? Was tut mir gut, wenn ich es nicht tue?
Manche sind von dem Gedanken überrascht, dass sie sich etwas Gutes tun können und dürfen. Andere sind erstaunt, dass es auch im Alltag möglich ist, sich schöne und leichte Momente zu nehmen. Dazu muss ich wissen, was mir gut tut: z.B. Zeit für mich selbst, Radfahren, ein besonderes Musikstück oder ein bestimmtes Gedicht, tief durchatmen, Freunde treffen, eine Tasse Kaffee trinken, im Zimmer tanzen. Was würde auf Ihrer „Für-mich-Gutes-tun-Liste“ stehen? Wann machen Sie es? Was tun sie heute nicht? Auch Aufschieben oder Nicht-tun kann ein Genuss sein.
Um durch dunkle Lebenszeiten zu kommen, hilft es, sich selbst Gutes zu tun. In schweren Zeiten wünsche ich Ihnen, dass Sie den Mut finden sich anderen anzuvertrauen. Denn das Teilen von Schwerem hilft zu leben, und das dürfen Sie sich vom Leben nehmen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich nicht nur im November viel Gutes tun Christiane Knobling Leiterin der Ökumenischen Telefonseelsorge Untermain
Veröffentlicht am 19. November 2016 im Main-Echo, Ruprik Kreuzwort